Rolf Radespiel verteidigt erneut seinen Titel in der Rennklasse

Die Braunschweiger Segelflieger sind in Niedersachsen wieder vorn bei der Landesmeisterschaft im Streckensegelflug dabei

Von Rolf Wagner

Braunschweig. In der Ende September abgelaufenen Überlandflugsaison konnten die besten Braunschweiger Streckensegelflugspezialisten in diesem Jahr ihre Spitzenplatzierungen der Vorjahre in Niedersachsen wiederholen.

Bedingt durch die massiven negativen Auswirkungen der Corona-Krise starteten die Segelflieger erst in der letzten Maiwoche in die Saison und verpassten somit leider richtig gute Streckenflugtage.

Die deutsche Meisterschaft im Streckensegelflug (DMSt) wird in allen 16 Bundesländern zeitgleich dezentral ausgetragen. Natürlich spielt bei dieser hochkomplexen und facettenreichen Freiluftsportart das Wetterglück eine entscheidende und somit auch nicht zu beeinflussende Rolle.

Gerade in der Mitte und im Süden Deutschlands waren die Streckenflugbedingungen aufgrund guter Thermik unter dem Strich signifikant besser als in Norddeutschland.

Ausgerechnet die sonst in den zurückliegenden Jahren so zuverlässigen Monate Juli und auch August verliefen für die Niedersachsen doch recht enttäuschend. Die begrenzten Überlandflugmöglichkeiten führten zwangsläufig zu Abbrüchen der geplanten Flugaufgaben oder sogar zu Außenlandungen, die anschließend folgerichtig zeitraubende Rückholtouren mit dem Segelflugzeuganhänger von mehreren hundert Kilometern bis weit nach Mitternacht mit sich brachten.

Selten gab es in diesem Jahr auch einmal zwei gleichwertig gute Flugtage hintereinander und speziell das mitunter äußerst bescheidene Wochenendwetter zeigte allen Piloten in schöner Regelmäßigkeit die Grenzen auf.

In der DMSt haben die Leistungen der einzelnen Piloten eine wesentlich höhere Priorität und Gewichtung als beim Mannschaftswettbewerb der 1. Bundesliga, die bundesweit 30 Segelflugvereine umfasst (zum Vergleich: in Deutschland gibt es insgesamt 750 Segelflugvereine) und in der auch der Aero-Club Braunschweig nach dem diesjährigen Aufstieg ab 2022 wieder fliegen wird.

Die drei punkthöchsten Überlandflüge eines jeden Thermikjägers fließen in die Wertung ein. Bonuspunkte werden gutgeschrieben, wenn die unmittelbar vor dem Start in das Satellitennavigationssystem (Logger) eingegebenen und angemeldeten Wendepunkte im Rahmen eines Dreiecksfluges oder auch einer Zielrückkehraufgabe richtig umrundet werden. Bei den hier erwähnten Flügen wird im Gegensatz zu den freien Flugaufgaben das Vollenden daher entsprechend honoriert. Die Mannschaftswertung wird aus den Streckensegelflügen der jeweils drei besten Piloten eines Vereins gebildet.

Alle aufgezeichneten Flugdaten werden noch am Abend auf einem Segelflugportal online gestellt, so dass anschließend auch die Leistungen und Ergebnisse der Konkurrenz sofort bundesweit in Augenschein genommen und zudem detailliert verglichen, analysiert und bewertet werden können.

Die Überlandflugkilometer aller Piloten, völlig unabhängig von der geflogenen Streckenlänge, werden in der Vereinsgesamtwertung aufaddiert.

Um eine objektive und somit gerechte Bewertung der Streckenflugleistungen zu ermöglichen, fließen die unterschiedlichen Spannweiten sowie die auch eindeutig schwächeren Flugleistungen der betagteren Segelflugzeuge in festgelegte Handicap-Faktoren mit ein.

In dieser vielfältigen Sportart geht die Juniorenwertung immer bis zum vollendeten 25. Lebensjahr.

In der gerade abgelaufenen recht bescheidenen Saison konnten an den guten Flugtagen, die tatsächlich an einer Hand abzuzählen sind, erneut die Lufträume über Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt, Thüringen, Hessen sowie auch Polen vom Segelflugzentrum Braunschweig-Waggum aus genutzt werden.

Der ehrgeizige Streckenflugpilot und Hochschullehrer Rolf Radespiel von der Akaflieg dominierte auch in diesem Jahr souverän das sportliche Geschehen in der Rennklasse in Niedersachsen und wiederholte unangefochten seinen Vorjahreserfolg.

Mit seinen drei raumgreifenden Flügen – das größte Dreieck umfasste 566 Kilometer bei einer Flugzeit von knapp 8 Stunden – reihte er sich in Deutschland in der insgesamt 408 Teilnehmer umfassenden Konkurrenz sogar auf Platz sechs ein.

Seinen größten Flug mit Wendepunkten bei Güstrow und im Bereich der polnischen Grenze nordöstlich von Berlin, der in der Braunschweiger Region nur durch mäßige Thermik begleitet wurde und somit eigentlich eine geringe Option für einen weiten Flug offerierte, kommentierte Radespiel mit den aussagekräftigen Worten: „Was für eine unerwartete Möglichkeit für einen schönen Überlandflug von Braunschweig!“

Holger Scholz vom Aero-Club positionierte sich in der Landeswertung der 18-Meterklasse ebenso wie seine Vereinskollegen Jörg Meyer, Holger Scholz und Nicolas Seidl in der Mannschaftswertung auf Platz drei.

Ekkehard Beier von der Akaflieg konnte in der Clubklasse, in der ältere Segelflugzeugmuster zum Einsatz kommen, auch noch einen dritten Rang hinzufügen.

Den weitesten Überlandflug von Waggum aus absolvierte Nicolas Seidl vom Aero-Club am 27. Juni mit stattlichen 863 Kilometern. Der Maschinenbauingenieur umrundete am besten Flugtag dieses Jahres Berlin und wendete zunächst im Landkreis Uckermark in der Region Angermünde. Danach flog er einen direkten Südkurs parallel zur polnischen Grenze bis östlich von Weißwasser. Nach einer Flugzeit von achteinhalb Stunden und einem zusätzlichen Abstecher in die Lüneburger Heide erreichte er am Abend wieder das Segelflugzentrum Braunschweig-Waggum.

ERGEBNISSE

Landesvereinsgesamtwertung (60 Vereine am Start): 4. Aero-Club, 34.143 Kilometer, 22. Akaflieg, 11.263 Kilometer.

Rennklasse (40 Teilnehmer): 1. Rolf Radespiel, Flugzeugtyp ASW 20, Akaflieg, 8. Jörg Meyer, ASW 20 WL, Aero-Club, 10. Michael Preß, ASW 20, Akaflieg.

18-Meterklasse (111 Teilnehmer): 3. Holger Scholz, Ventus 3M/18m, 10. Karsten Bennewitz, Ventus 2cM/18m, beide Aero-Club.

Clubklasse (158 Teilnehmer): 3. Ekkehardt Beier, DG 100 Club, Akaflieg.

Standardklasse (131 Teilnehmer): 6. Rolf Wagner, LS 4 WL, 7. Yannis Hartung, Discus 2, beide Aero-Club.

Frauen (24 Teilnehmerinnen): 9. Wiebke Holste, LS 4, Aero-Club.

Doppelsitzer (154 Teilnehmer): 7. Wiebke Holste, Arcus T, 10. Markus Schmied, Arcus T, beide Aero-Club.

Junioren (90 Teilnehmer): 6. Yannis Hartung, Discus 2, Aero-Club.

Mannschaftswertung (171Teams): 3. Aero-Club: Jörg Meyer, Holger Scholz, Nicolas Seidl, 9. Akaflieg: Rolf Radespiel, Ekkehardt Beier, Nils Mackensen.

Mannschaftswertung Junioren (45 Teams): 7. Akaflieg: Lars Samake, Christian Weidemann, Lukas Luksch.

Rolf Radespiel kann sich auch über seinen erneuten Sieg in der Rennklasse noch richtig freuen.