Kein Tag wie jeder andere

– Außenlandebericht Grüne Wiese –

Flug vom 03.06.2006 aus Hockenheim

Der erste Wettbewerbstag in Hockenheim begann nicht gerade viel versprechend. Ein erster verschlafener Blick aus dem Zelt lies die Chancen auf einen Wertungstag bei mir stark sinken. Acht Achtel Bedeckung, aber die ersten waren schon am Rüsten. Mein Teamkollege Martin Hillebrandt und ich gingen zu unseren Hängern und begannen die Flieger zusammen zu stecken. Er flog unsere Vereins ASW-19 (D-7668) und ich eine LS1-f (D-7333). Ich glaubte noch immer nicht daran, dass dieser Tag in irgendeiner Weise fliegbar werden könnte.

 

Nach einem guten Frühstück gingen wir zum Briefing. Der Wettbewerbsleiter Fred Gai versprach uns beim Herausgehen schon die ersten blauen Löcher und schrieb für die Clubklasse ein Dreieck von 165,9 Kilometer aus.

 

Turnpoint

Distance

Direction

Observation zone

AP3 WALLDORF

8,0km

 

zum nächsten Wendepunkt, Linie 10,0km

BAUMERLENBACH

58,4km

95°

Symmetrisch, Rmin=500m, Rmax=10,0km, Winkel=90°, Zylinder R=500m

PFORZHEIM

59,4km

234°

Symmetrisch, Rmin=500m, Rmax=10,0km, Winkel=90°, Zylinder R=500m

ZL2 320

48,1km

340°

Linie 1000m, Winkel=320°

Total:

165,9km

 

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Die Aufgabe der Clubklasse am ersten Wertungstag

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Er sollte Recht behalten. Wir programmierten die Aufgaben in unsere kleinen „Mäusekinos“ (IPAQ’s) und zogen die Flieger in das Grid. Wir standen vorne und ich startete gegen halb eins. Kurz vor dem Abflug war ich dank übermäßig starker Aufwinde mit integrierten Steigwerten zwischen 0.5 und 0.7 m/s auf knapp 1700m MSL gestiegen. Der Abflug erfolgte um 13.02 Uhr in 1500 MSL (max. Abflughöhe). Mit schlechtem Steigen, anfangs noch unter einem Meter ging es zur ersten Wende nach Baumerlenbach, die Martin und ich mit großen Umwegen in großer Höhe erreichten. Anschließend konnten wir mit immer besser werdenden Bedingungen unter Aufreihungen mit Steigwerten nun über 2 Meter schnell nach Pforzheim vorgleiten.

Nach der letzen Wende kurbelten wir 10 Kilometer südöstlich von Bruchsal unseren finalen Aufwind. In 1250 Meter über Platzhöhe begannen wir unseren 33km langen Endanflug (Gleitzahl:26). Wir wechselten auf die Wettbewerbsfrequenz und hörten, dass es am Platz angefangen hatte leicht zu regnen. Mit bestem Gleiten hangelten wir uns unter acht achtel aber mit vermindertem Sinken Richtung Ziellinie. 20 Kilometer vor dem Flugplatz waren wir noch immer fast 900 Meter über Hockenheim (Gleitzahl:22). Vor uns sahen wir etwas höher eine Libelle, die mit uns zum Flugplatz flog. Die ersten Piloten meldeten 10 Kilometer in stärkerem Regen. 15 Kilometer vor Hockenheim setzte auch bei uns der Regen ein, erst leicht, dann immer stärker werdend. Der Endanflugrechner zählte gemütlich herunter und Martin verschwand in der ASW-19 aus der Sicht meines engen LS1-f Cockpits im Orbit. In diesem Augenblick machte sich wieder deren anfälliges Profil bemerkbar. 5 Kilometer vor dem Platz war für mich klar, dass es nicht mehr reichen würde. Die Libelle war noch immer leicht über mir. Ich konnte den Platz schon sehen doch die Baukräne vor dem Neubaugebiet ließen einen Überflug für mich nicht mehr zu. Ich entschied mich direkt auf Kurs auf einem frisch gepflügten Acker zu landen, da ich steile Kurven mit den Nassen LS1-Flächen vermeiden wollte. Ich teilte Martin meine Entscheidung mit. Er sagte, dass es bei ihm zum Platz passen würde und er mich dann gleich zurückholen könnte.

Nachdem ich nach kurzer Rollstrecke im feuchten Acker versank, funkte ich Martin, dass ich sicher unten war. Als ich ausgestiegen war sah ich gerade noch die Fläche der Libelle hinter den Baukränen verschwinden. Auch sie hatte es nicht mehr zum Flugplatz geschafft und landete sicher auf einem Feld zwischen Neubaugebiet und Flugplatz.

Mein zweiter Blick galt den frisch reparierten Fahrwerksklappen. Natürlich waren sie in der Frontpartie wieder beschädigt worden. Aber halb so wild.

Ich ging mit Handy bewaffnet zur Straße aber schon auf halben Weg wurde ich von einem Bus der Freiwilligen Feuerwehr abgefangen. Ich klärte sie über das Außenlanden von Segelflugzeugen auf und kam auch schnell mit ihnen ins Gespräch. Nach ein paar Minuten Smalltalk boten sie mir an, mich zum Flugplatz zurückzufahren, was ich natürlich nicht ablehnte. Auf dem Weg dorthin kam über Feuerwehrfunk die Durchsage, dass ein Segelflugzeug in ein Rückhaltebecken 100 Meter vor dem Flugplatz gestürzt sei. Das war natürlich keine gute Nachricht für diesen ohnehin schon komischen Tag.

Am Flugplatz angekommen bedankte ich mich bei den freundlichen Feuerwehrmännern und ging gleich zu Martin und unserem Rückholer Heiko Braden, die die 19 gerade bei den Anhängern im Norden abrüsteten. Im Süden waren die Blaulichter der Feuerwehr zu erkennen und auch ein Rettungshubschrauber war schon eingetroffen. Der Pilot hatte sehr viel Glück, er kam mit einem Sitzbeinanbruch davon (nicht zuletzt wegen des Sicherheitscockpits).

Heikos Handy klingelte. Es war sein Sposo Ex-Freund Michael Seidel. Er war noch vor dem Schauer zwei Kilometer östlich Bruchsaal auf einem kleinen Plateau gelandet. Weil sowohl Michis als auch mein Acker sehr weich waren entschlossen wir drei uns erst meinen Flieger vom Acker zu holen und dann gemeinsam zu Michi zu fahren.

 

Auf meinem Acker angekommen stellten wir schnell fest, dass an ein Rausziehen des kompletten Fliegers nicht zu denken war. Also Manneskraft aktiviert und die Einzelteile, den zum Glück nicht allzu langen Weg hinausgetragen.

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Fast geschafft Heiko und Martin (von links nach recht) auf meinem Acker

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Nachdem wir meinen Flieger im Hänger hatten, ließen wir ihn samt Auto am Ackerrand stehen und fuhren mit Michis Auto weiter zu seinem Acker. Dort war die Regenfront mittlerweile auch angekommen und so durften wir auch hier die Einzelteile zum Hänger tragen

 

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Michi und Martin (von links nach rechts) auf dem Acker in Bruchsaal
 

Als wir uns nach getaner Arbeit auf dem Rückweg befanden waren wir alle ziemlich kaputt. Wir fuhren an meinem Acker vorbei, um meinen Anhänger mitzunehmen, doch da erwartete uns die nächste Überraschung. Ein cholerischer Förster fühlte sich durch das Gespann beim Rehe beobachten so Gestört, dass er zwei Stunden um den Hänger schleichen musste. Dementsprechend gelaunt empfing er uns dann auch. Er drohte uns mit Polizei und beschimpfte uns lautstark. Leider gelang es uns auf Grund seines Akzents nur schwer herauszufinden, was dieser Mann nun genau von uns wollte.

Nach einer viertel Stunde fuhren wir nach hitziger Diskussion nun das letzte mal an diesem Tag vom Acker.

An den nächsten sieben Wertungstagen waren wir vom Wettergott gesegnet. Mit interessanten Aufgaben, teils über 400 Kilometer wurden wir durch Pfälzerwald, Odenwal, Alb und Schwarzwald (wo man sogar noch Schneereste erkennen konnte) gejagt.

 

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Mein Loggerschrieb (fast geschafft)

 

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Und das dazugehörige Barogramm