So, und jetzt nehmen wir uns einmal einen normalen Streckensegelflug, z.B. ein 5ooer Dreieck vor und vergleichen diesen in der bisher angedachten Weise. Ähnlichkeiten mit einem besseren Menue fallen sehr schnell ins Auge.

Hat der Pilot oder die Pilotin sich entschlossen die Aufgabe zu wagen, ist er meistens etwas nervös oder auf jeden Fall angeregt und in geradezu festlicher Hochstimmung. Nach längerem Warten, wie es in einem Restaurant allgemein üblich ist, begibt er sich zu Tisch, d. h. er setzt sich in den Flieger und startet.

Hat er Glück, wird bald etwas Brot und Butter in Form des ersten Bärtchens serviert. In unserem angenommenen Fall fällt diese Portion wie immer nicht so üppig aus. Aber, dass es überhaupt schon mal etwas gibt, ist ja gut. Mühsam, wie in solchen Gesellschaften üblich, kommt das Gespräch in Gang, ebenso der weitere Verlauf.

Falls der Brotkorb doch etwas mehr enthält, nährt man sich von Scheibchen zu Scheibchen und wird dabei immer hungriger. Oft vergeht bei diesem Vorgeplänkel die Zeit schneller als einem lieb ist. Aber zum eigenen Trost ergeht es den anderen am Tisch nicht besser.

Endlich serviert die Bedienung die erste Vorspeise, wenig aber gut. In unserem Fall beginnt der Erste, der bedient wurde, unhöflicherweise auch gleich an zu essen, die nächsten folgen. Die Stimmung steigt merkbar und alle mit. Schon wird es am Tisch lebendig, im Funk auch. Alle reden gleichzeitig über alles mögliche. Nach der Suppe hält der erste seine Rede, aber das Warten auf das Hauptgericht wird dadurch nicht leichter. Alle sind zwar von der drohenden Landung am Platz befreit und nippen so ab und zu an ihren Gläsern.

Endlich naht in Form einer sich bildenden Cumuluswolke, weiß und zart wie gekochter Fisch, der erste Gang. Im weiteren Verlauf steigert sich das Menü über Geflügel und Braten, wird also immer kräftiger. Bald machen sich die ersten Sättigungstendenzen bemerkbar. Alle am Tisch sind froh, nicht mehr ständig essen zu müssen und überbrücken die Pausen dazwischen dankbar mit einem längeren Gleiten, um dann wieder tüchtig zulangen zu können.

Angenehm und leicht sind solche Essen, bei denen zwischendurch auf chinesisch umgeschaltet wird und vielleicht die „Sieben Köstlichkeiten“ serviert werden.

1.  Ein Hammerbart

2.  Eine Thermikaufreihung direkt auf Kurs

3.  Eine ganze Strecke im Delphinstil

4.  Eine Scherwelle ermöglicht seitliches Übersteigen der Wolke

5.  Die Sicht verbessert sich, Marke von Pol zu Pol.

6.  Die Basis klettert um weitere 500 m auf  2.500

7.  Du hörst im Funk, dass es im Gebiet voraus super ist

Wenn einem also soviel Gutes wiederfährt, ist es bestimmt eine Erhöhung der Aufgabe wert. Aber, wie es so ist, bei soviel Angebot übernimmt sich einer leicht und er scheidet aus der Tischrunde aus

Das Essen klingt aus mit Dessert und Käse, also wieder weniger und in größeren Abständen. Die Fülle des Genossenen, halt hier kommt noch ein Gedanke spontan: Früher flogen in der DDR Genossen, jetzt wird das Fliegen über den neuen Bundesländern genossen. Also die Fülle des Genossenen zieht uns bedenklich nach unten. Aber, wir haben es ja in der Hand und können uns noch einmal erleichtern in Form von Wasserlassen. Schön ist es, wenn dann zum Abschluss noch ein Kaffee gereicht wird, an dem man sich aber lange festhalten muss und nur in ganz kleinen Schlucken trinkt. Der Dunst einer letzten Zigarette bringt uns die entscheidende Höhe für den Gleitflug zum Platz.

Satt und zufrieden kehrt man an den heimatlichen Platz zurück. Kaum hat der Pilot die Ausgehklamotten in den Schrank gehängt, was tut da der richtige Segelflieger?

Er haut sich das erste Bier des Tages rein und schielt auf den Grill, ob das Fleisch nicht endlich gar ist. Da werde einer schlau draus!

Abschließend muss ich mich noch damit befassen, wie der fliegerische Genuss denn nun wieder ausgeschieden wird. Ganz klar, was man  in sich hineinstopft, muss man auch wieder loswerden. Nach längerem Überlegen bin ich zu dem Ergebnis gekommen, der Stuhlgang der Segelflieger ist das Reden und Erzählen über ihre Erlebnisse. Das kann bekanntlich lange dauern, oft länger als der das eigentliche Essen. Das ist gut so, weil irgendwie sich schon wieder so ein leichtes Hungergefühl meldet. Ist es nicht toll, immer wieder etwas zu sich nehmen zu müssen?

Wie kann die Zeit zwischen Ab- und Anfliegen auch bezeichnet werden?

Als Fastenzeit! Ich hoffe, ihr werdet sie auf die eine oder andere Art und Weise  überstehen. Viel Glück dabei wünscht Euch

Jürgen Daube