D  E  R  Tag

Ein Segelfliegermärchen

von Jürgen Daube, 1993

 

Es wird einmal sein eine Zeit in einem nicht entfernten und uns allen sehr bekannten Land, dem, in welchem wir unsere Träume zu verwirklichen pflegen. In dieser Zeit und in diesem Land geschehen am Vorabend eines „des“ Tages schon Dinge, die eine Vorankündigung dessen sind, was dann folgen wird.

Erst nur von ganz wenigen kundigen Augen zu sehen, von nur äußerst wenigen geübten Ohren zu hören. Fast bedarf es telepathischer Sinne, diese Anzeichen wahrzunehmen oder zu verspüren.

Zugegebenermaßen war der jetzige angenommene Tag kein schlechter Tag in unserem Sinne gewesen. Alle waren zufrieden mit sich und der Welt. Sie hatten ihren Leistungen und vielmehr noch denen entsprochen, die dieser Tag von ihnen gefordert hatte.

Allein wie sich jedoch die Sonne dem Horizont entgegensenkte, wie das normal schöne Abendrot einen Tuck nicht so normal war wie immer, wie die Lerche sich emporschraubte und ihren letzten Gesang dieses Tages um eine Nuance besser sang als sonst, alles Anzeichen, die einer Verheißung glichen, bestimmt für die wenigen Glücklichen unter uns.

Ein Abend zum Genießen. Schmeckte nicht alles anders, etwas besser, waren die Gespräche nicht angeregter, war das andere Geschlecht nicht irgendwie anziehender? Oh, es waren viele kleine Merkwürdigkeiten und es geschahen viele zusätzliche Dinge in diesem Land. Die Nacht brach herein. Der aufgehende Mond, noch nie schien er so zum Greifen nahe, so silberhell. Sterne, deren Fülle den Nachthimmel fast zu sprengen schien. Seidig , kühl und warm zugleich, ein Hauch von Wind, der die Blätter und Gräser geheimnisvoll wispernd Geschichten erzählen ließ. Die Tiere der Nacht, die verhalten kraftvoll ihre Stimmen zu einem einzigen Chor raunend erklingen ließen.

Tam   Tam   Tom, ganz langsam und von ein zwei Menschen, den auserwählten, geschlagen, regte sich die Trommel und sandte ihre Töne der Weisheit und des Begreifens über das Land.

„Morgen Leute – morgen- wird etwas sein, auf das ihr schon immer gewartet habt. Morgen werden Bedingungen herrschen, von denen ihr euren Kindern noch erzählen könnt. Morgen wird sein   D E R   Tag“.

Aus dem Trommelschlag wurden viele Schläge. Die Nachricht wanderte von einem zum anderen. Einer Kettenreaktion gleich vermehrte sich das Wissen und bei vielen die Ratlosigkeit, warum gerade morgen?

Im Laufe der Nacht hatte die gute Fee Hoch ihren weiten Mantel über das ganze Land gebreitet. Ihre europäischen Schwestern ringsherum schlossen sich  an in einem solidarischen Akt, was wirklich selten ist. Eine funktionierende Europäische Union innerhalb der Familie Hoch.

Die böse Fee Tief war wie von einem Zauberspruch -oder war es gar einer- so weit weg verbannt worden, daß ihre ganze Macht nicht ausreichte, auch nur die allerkleinste Tochter mit Namen „Störung“ unter die goldenen Mäntel der guten Feen zu schmuggeln.

Die vom Wetter Abhängigen hatten sich trotz aller Versuchungen nicht noch abhängiger machen lassen. Zeitig waren sie zu Bett gegangen, um ausgeschlafen zu sein für  d e n  Tag.

Schon sehr früh sprangen sie auf, sich zu rüsten und eilten mit klopfendem Herzen erwartungsfroh entgegen den Stätten ihrer Wünsche. Entgegen den Feldern und Wiesen und weiten Hallen, bergend schneeweiße schwere Apparate, die sie federleicht über weite Strecken durch die Lüfte zu führen gedachten.

Nie war der Tau diamantengleicher, in seinen Tropfen vervielfältigte sich die aufgehende Sonne zu einem Strahlen von nie gesehener Schönheit. Die Segelflugzeuge entfalteten sich lilien-und orchideengleich im grünen, glitzernden Gras. Zusammengehörendes fand auf wundersame Weise so leicht und problemlos zusammen, wie niemals vorher und auch niemals nachher. Reinigendes Wasser und weiche Watte von willigen Händen gespendet und bewegt, verschönten Schönes, schufen makellosen Glanz an diesem so einzigartigen Tag. Hätte man genau hingeschaut oder gar gemessen, die Länge der Flügel wäre heute um etliche Zentimeter größer ermittelt worden.

Die Vorbereitungen auf größte Strecken und entfernteste Wendepunkte war abgeschlossen. Inzwischen vermeldeten auch offizielle Verlautbarungen optimale Verhältnisse und mit den allgemeinen Regeln wenig vereinbares sehr frühes Einsetzen der Thermik. Die Kraft der Sonne nahm zu. Erste kleine Staubteufelchen erhoben sich zu vereinzeltem Spiel, während noch die großen Brüder regungslos auf der Erde lagen.

Alle  waren bereit und fieberten dem Zeitpunkt entgegen, da es nun endlich losgehen sollte zu größten und schönsten Aufgaben, als sich von ferne eine kleine aber zarte Melodie erhob, die durch  das Himmelsblau  zu den Wartenden drang: