Die Ehemaligen

Als nächstes möchte ich auf einen Gesichtspunkt eingehen, der nicht unerwähnt bleiben darf. Jeder von euch kennt bestimmt jemanden, der früher aktiv bis sehr aktiv geflogen ist und jetzt scheinbar die Segelfliegerei an den Haken gehängt hat. Die Betonung liegt auf: scheinbar. Man kann durch bestimmte Lebensumstände kürzer oder längerfristig resistent gegen die Droge werden. Der von mir sogenannte „Urkeim“ bleibt jedoch erhalten.

Sprechen Sie einen Segelflieger von früher auf seine damaligen Erlebnisse an. Sofort kommt Glanz in seine Augen und Zittern in seine Hände. Unaufgefordert zieht er aus der Brieftasche vergilbte Fotos, die ihn als Aktiven vergangener Tage ausweisen und er wird, wenn man ihm die Zeit gibt, stundenlang von früher erzählen. Einmal geschädigt – immer geschädigt!

Entziehungskuren gibt es auch, glücklicherweise. Meine Beobachtung kommt zu dem Ergebnis, daß für den einen eine bestimmte Kurform voll wirksam ist, bei einem anderen aber völlig in die Hose geht.

Eine Garantie kann nicht gegeben werden für die Wirksamkeit von:

Bundeswehr – Freundin – Heirat – Kinder (siehe Bruno) – Hausbau – Beruf – Ortswechsel – Surfen – Leider auch Krankheit oder Alter.

Treffen mehrere Faktoren aufeinander, können sie sich verstärken – oder auch nicht.

Ganz zum Schluß will ich noch auf ein Phänomen kommen, welches ich mit dem Begriff „Permanent-Beeinflussung“ bezeichnen möchte. Wer wundert sich nicht von euch, dass jedes Jahr so viele Segelflieger zu Segelfliegertagen kommen? Ist das so interessant? Das glaubt doch wohl keiner.

Eine hinterlistige Regie präsentiert uns im oder vor dem Saal jedesmal ein anderes Segelflugzeug. Wir starren von morgens bis abends drauf. Im Unterbewußtsein wirkt die visuelle Botschaft „Segelflugzeug“ als Droge und läßt euch, fast willenlos, zu allem klatschen, zustimmen und Beifall rufen. Ich bin der Beweis dafür.

Merkt jedenfalls jetzt, wohin der Karren läuft!

Geratet nicht bei jedem Segelflugzeug, welches Ihr seht, aus dem Häuschen! Zum Beispiel, wenn euch auf der Autobahn ein Auto mit Segelflugzeug-Anhänger begegnet. Winken, blinken, hupen – dabei von der Fahrbahn abkommen – sind eindeutig krankhafte Züge.

Beschafft euch nicht jedes Buch über und vom Segelflug. Die Verbandszeitschriften sind geradezu Gehirnwäsche und Drogenersatz. Glaubt auch nicht allen, die vom Fliegen erzählen, am wenigsten mir.

Mein Vortrag wäre unvollkommen, würde ich nicht auf einen Satz aus dem Aerokurier 10/91, S.83, eingehen:

Hans-Werner Grosse diskutierte mit Björn Engholm während eines Fluges über Schleswig-Holstein über sein Thema: «Segelflug als gesunde Droge».

H. W., ich bitte dich – gesund!

Aus Deiner Sicht nach unserem jetzigen Kenntnisstand magst du bei ganz vorsichtiger Bewertung wohl recht haben. Dies ist in ihrer Kompliziertheit die gleiche Behauptung wie die berühmte Aussage eines Kreters: Alle Kreter lügen!

Ich freue mich, dass du das Thema ansatzweise aufgegriffen hast, ohne mir allerdings das Stichwort zu liefern. Hoffentlich wirst du einmal Zeit und Gelegenheit haben, diesen Vortrag zu studieren.

Ein letztes Wort, beziehungsweise eine letzte Feststellung möchte ich doch noch in Form eines Statements als Resümee des vorher Gesagten abgeben:

Ist Segelfliegen heilbar?

Ich hoffe: niemals!