Droge Segelflug

(von Jürgen Daube)

Jürgen Daube aus Braunschweig, Jahrgang 1939, Kulturbeauftragter der Sparte Segelflug des Landesverbandes Niedersachsen im Deutschen Aero-Club, hat uns in verdankenswerter Weise den Abdruck des folgenden Beitrags „Droge Segelflug“ erlaubt. Er wurde von Jürgen Daube im Jahre 1991 auf dem Niedersächsischen Segelfliegertag in Walsrode vorgetragen. Eine erbauliche Lektüre mit teils recht hohem „Wiedererkennungswert“.

 

Es geschah am 24. September 1991 während einer Fahrt von Köln nach Braunschweig, dass mich endlich jene Muse küsste, ohne die für mich und demzufolge auch für euch nichts läuft. Meine scheinbar vielseitige Muse ließ mich bisher dichten, singen und auch Theater spielen. Jetzt gab sie mir ein mehr wissenschaftliches Thema vor, das mich von Anfang an begeisterte und mir so eine vergnügliche Reise bescherte, bei der ich oft, die Gedanken formulierend, vor mich hin kicherte.

 

Mein Thema lautet:

Sucht oder Abhängigkeit? Ist Segelfliegen eine Droge?

-Von der Droge zur Sucht in die Abhängigkeit bis hin zur Krankheit-

 

Als ich nur begann, die vielen Auffälligkeiten und segelfliegertypischen Verhaltensweisen mit anderen Drogen oder Suchtmitteln zu vergleichen, eröffnete sich mir ein breites Spektrum mit dem Fazit:

Segelflieger gehören zu einer äußerst gefährdeten Gruppe.

Ich möchte dieses nun anhand von vielen eigenen Beobachtungen, Erfahrungen, und Erlebnissen aus meinem Segelfliegerleben beweisen.

Schon die Geschichte beweist:Seitdem segelgeflogen wird, kann aus dem Verhalten der Flieger eindeutig herausgelesen werden, dass „nicht normales“ Verhalten die Norm zu sein scheint. Was kann die Ursache dafür sein?

Ikaros und Dädalos, die griechischen Fliegerkumpels aus der Sagenwelt, stürzten bekanntlich ins Meer, als sie der Sonne zu nahe kamen und das Wachs schmolz. Ein aufgeklärter A-Pilot unserer Zeit wird vielleicht behaupten, die Fluggeilheit sei mit ihnen durchgegangen und es könnte ja auch Sauerstoffmangel oder so ungefähr – äh, glaube ich wenigstens, … na ja.

Ich aber behaupte, die Droge Fliegen wirkte zusammen mit der Sonne – deswegen tragen wir heute weiße Mützen, weil wir den gefährlichen Einfluß der Sonne kennen – und ließ beide in Trance geraten und die Umwelt mit ihren mechanischen und temperaturbedingten Abhängigkeiten vergessen.

Selbst dem Schneider von Ulm muss attestiert werden, dass er in zwanghaft krankhafter Form gehandelt hat, als er sich mit seinem flugunfähigen Vogel von der Brücke in die Donau stürzte. Wir lernen daraus, dass nicht nur das Fliegen selbst, sondern auch die geistige Auseinandersetzung damit, eine drogenartige Wirkung hat.

Das zeichnete nämlich das tapfere Schneiderlein aus. Er hatte Visionen, wie es sein könnte, und das reichte schon. Wir bedauern, dass ihm die technischen Voraussetzungen fehlten.

Auch der theoretische Umgang ist schon eine Gefahr!

 

Auch Lilienthal:

In schnellen Schritten durcheile ich die Geschichte des Menschenfluges und komme natürlich an Otto Lilienthal nicht vorbei. Ein ansonsten geachteter Mann von hoher Intelligenz vergaß die Welt sowie die Familie, wenn er sich seinen, meist nur kurzen, Luftsprüngen hingab. Seine theoretische Beschäftigung plus praktisches Fliegen ließen ihn – wie auch die heutigen Drogenabhängigen – die Gefahren nicht sehen, in der er mangels Ausbildung und mit noch unvollkommenem Fluggerät im wahrsten Sinne des Wortes schwebte. Es kam wie es kommen musste: er stürzte high – aber leider hoch genug – tödlich ab.